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Patient Safety Day am 17. September 2025 

"Unmet medical and daily needs" von Kindern mit Hämophilie im Alter von 6 bis 12 Jahren

Anlässlich des Patient Safety Day am 17. September 2025, der in diesem Jahr das Motto "Sicherheit von Anfang an, für jedes Neugeborene und jedes Kind" trägt, möchten wir auf die unmet medical and daily needs von Kindern mit Hämophilie im Alter von 6 bis 12 Jahren aufmerksam machen.

Was ist Hämophilie? (kinderleicht erklärt)

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Hämophilie ist eine Erbkrankheit, die die Blutgerinnung stört. Dies geschieht, weil bestimmte Gerinnungsfaktoren im Blut fehlen. Es gibt verschiedene Formen der Hämophilie:

  • Hämophilie A: Hier fehlt der Faktor VIII.
  • Hämophilie B: Hier fehlt der Faktor IX.

Typische Symptome sind verlängerte und häufigere Blutungen, eine erhöhte Anfälligkeit für Blutergüsse, Gelenkschmerzen und Hämarthrose (Blutungen in die Gelenke). Die Behandlungsmöglichkeiten umfassen die Substitution von Faktoren, Non-Faktor-Therapien, Gentherapie sowie symptomatische Begleittherapien.

Es ist ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich, um die unerfüllten Bedürfnisse der Kinder anzusprechen und sicherzustellen, dass jedes Kind die bestmögliche Unterstützung erhält:

    100 % Blutungsfreiheit

    Einer der Hauptziele der Behandlung ist eine absolute Blutungsfreiheit, die jedoch nur schwer zu erreichen ist. Es ist notwendig, eine regelmäßige prophylaktische Behandlung durchzuführen, um eine optimale Aktivität des Faktors VIII im Blut zu gewährleisten. Talspiegel von bis zu 50 % wären dafür nötig, doch der Standard liegt bisher bei 3 bis 5 %. Trotz aller Bemühungen erreichen Hämophilie-Patient*innen nicht die gewünschte 100%ige Blutungsfreiheit, was immer zu einer niedrigeren Lebensqualität im Vergleich zu gesunden Personen führt. Die Lebensqualität bleibt niedrig, da die Bemühungen um Blutungsfreiheit mit einem höheren Aufwand verbunden sind. Aus diesem Grund bedarf es immer noch mehr Forschung, damit eines Tages auch dieser Wunsch erfüllt werden kann.

    Prävention von Gelenkschäden

    Eine prophylaktische Behandlung kann helfen, Gelenkschäden zu verhindern. Darüber hinaus ermöglicht sie auch die Wiederaufnahme von körperlichen Aktivitäten. Bewegung und Sport fördern das Muskelwachstum und die Knochendichte. Sie stärken die Gelenke und verbessern deren Flexibilität. Daher sollte jede*r Hämophilie-Patient*in die Möglichkeit einer individuell angepassten Physiotherapie nutzen können, die langfristig Folgeschäden und Gelenkblutungen reduzieren kann. Zusätzlich können Kinder dadurch wieder mit Gleichaltrigen mithalten, sodass auch ein psychosozialer Nutzen vorhanden ist.

    Schmerzmanagement

    Schmerzen sind ein ständiger Begleiter für viele Hämophilie-Patient*innen. Jedoch sind Schmerzen etwas Subjektives und werden von jeder Person anders wahrgenommen. Die Behandlung von Schmerzen ist daher oft noch inadäquat, weil Hämostaseolog*innen im ersten Schritt mit ihrer eigenen Expertise das Ausmaß einschätzen müssen, die Zusammenarbeit mit Schmerzexpert*innen noch nicht ausgereift ist und es letztendlich keine einheitlichen Leitlinien für das Schmerzmanagement gibt. Es ist wichtig, die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachrichtungen zu fördern und eine evidenzbasierte Leitlinie zur Einordnung und Orientierung zu verfassen, um ein besseres Schmerzmanagement zu gewährleisten.

    Behandlung der Hemmkörper-Hämophilie

    Eine der Herausforderungen bei der Behandlung von Hämophilie ist die Entwicklung von Hemmkörpern, die die Wirksamkeit der Standardtherapie beeinträchtigen. Unabhängig davon, ob die Faktorersatztherapie episodisch oder prophylaktisch verabreicht wird, bleiben die jährlichen Blutungsraten hoch. Immuntherapien wie die Immuntoleranztherapie (ITT) sind nicht ausreichend effektiv. Es besteht ein dringender Bedarf an innovativen Therapieoptionen, um Blutungen trotz Antikörper zu reduzieren und die Adhärenz zur Prophylaxe zu fördern.

      Kindgerechte Aufklärung (Disease Management Programme)

      Eine kindgerechte Aufklärung im Rahmen von Disease Management Programmen, wie beispielsweise durch digitale Gesundheits-Apps, würde das medizinische Personal entlasten und die Koordination des Betreuungsteams durch erhöhte Transparenz verbessern. Momentan dienen elektronische Patientenakten (ePA) als nützliches Werkzeug zur Sammlung relevanter Gesundheitsdaten, die dem medizinischen Personal zur Verfügung stehen. Ein weiterführendes Ziel ist die Entwicklung von "Personal Health Records" (PHR), die eine vollständige Patient*innenhistorie bieten und den Patient*innen eigenständig ermöglichen ihre relevanten Gesundheitsdaten mit Personen ihrer Wahl zu teilen – unabhängig von ihrer Profession. Somit wäre es auch möglich Eltern und anderen wichtigen Bezugspersonen die nötigen Informationen zur Verfügung zu stellen, was ein besseres Verständnis und eine erhöhte Sicherheit durch zusätzliche Sensibilisierung für die Situation der Kinder bedeutet. Die Digitalisierung trägt dazu bei, Informationen schnell und übersichtlich verfügbar zu machen, wodurch eine frühzeitige Erkennung und Prävention von Schmerzen und Blutungen ermöglicht wird und damit eine insgesamt bessere Versorgung der Patient*innen gewährleistet wird.

      Schulung und Kompetenzförderung

      Um die Versorgung von Hämophilie-Patient*innen zu verbessern, ist es entscheidend, auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Regelmäßige Schulungen können dabei helfen aktuelle Therapiemöglichkeiten kennenzulernen und einen besseren Umgang mit den Kindern und ihren Familien zu ermöglichen. Davon profitiert nicht nur das medizinische Fachpersonal, auch andere Personen im sozialen Umfeld der Kinder können durch Erwerb von Zusatzkompetenzen zu einer effektiveren Versorgung der Patient*innen beitragen. Krankheitsaufklärung, Behandlungsmanagement, kommunikative Fertigkeit, Verhalten in Extremsituationen, Möglichkeiten zur Personalisierung der Therapie etc. sind für beide Seiten hilfreich zu wissen. Dadurch wird nicht nur die Behandlung verbessert, sondern auch Kosten gesenkt – direkter (z.B. weniger Krankenhausaufenthalte) und indirekter (z.B. weniger verpasste Schultage) Natur.

      Das ärztliche Personal

      Es gibt nur wenig Spezialisierung allgemein, dabei ist die Zusammenarbeit in einem multidisziplinären Team entscheidend, um optimale Versorgungsbedingungen zu schaffen. Optimalerweise sollte ein*e Hämophilie-Patient*in stets durch folgende Personen betreut werden:

      • Hausarzt / Hausärztin
      • Hämostaseolog*in
      • Schmerzexpert*in
      • Orthopäd*in mit Spezialisierung auf Hämophilie
      • Physiotherapeut*in
      • Psychologische Hilfskraft
      • Pflegefachkraft ggf. mit Weiterbildung zur Hämostaseologie Assistenz

      Bei 67 % der Patienten fehlt jedoch psychologische Hilfe in Form von Beratung oder Seelsorge nach einer Erstdiagnose. Auch die Rolle der Pflegefachkräfte und der Hämostaseologie-Assistenten ist noch nicht vollständig entwickelt, obwohl sie als erste direkte Kontaktpersonen zwischen Arzt und Patient*in fungieren. Sie kombinieren klinische Expertise mit praktischen Fähigkeiten und Kommunikation, was besonders in akuten Situationen und Notfällen wichtig ist. Sie können durch ihre Nähe eine kontinuierliche Überwachung ermöglichen, die auch den Therapieerfolg sicherstellt. Eine Förderung des Pflegepersonals ist daher notwendig, um eine bessere und sicherere Versorgung der Patient*innen zu gewährleisten.

        Angehörige

        Die Diagnose Hämophilie hat nicht nur Auswirkungen auf die betroffenen Personen, sondern auch auf ihre Familien. Egal in welchem Alter, die psychosozialen Aspekte können erheblich beeinträchtigt werden. Neben physischen Problemen wie Schmerzen und eingeschränkter Mobilität leiden Hämophilie-Patient*innen auch unter mentalen Belastungen. Oft gibt es keine professionelle Beratung oder Seelsorge, was die emotionale und soziale Unterstützung durch Familie und Freund*innen erforderlich macht. Dabei ist wichtig zu erkennen, dass nicht nur die betroffenen Kinder Unterstützung benötigen, sondern auch die Eltern, insbesondere die Mütter. Als Anlageträgerin kommt das defekte X-Chromosom aus ihrem Genpool, weshalb gerade Mütter dazu neigen, Schuldgefühle zu entwickeln und mit ständiger Sorge, um das Leben des Kindes zu kämpfen haben. Die mentale Last der Eltern kann sich dann auf die Kinder übertragen, weshalb auch die Familie Unterstützung braucht, damit die Kinder entsprechend ermutigt werden können.

        Soziale Interaktionen

        Hämophilie kann auch das soziale Leben der Betroffenen erheblich beeinflussen. Chronische Schmerzen und eingeschränkte Mobilität führen zu Schwierigkeiten in sozialen Beziehungen, da diese Limitationen gerade unter Kindern oft missverstanden werden. Die Betroffenen sehen sich in Erklärungsnot und haben das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen, was zu einem Rückzug aus sozialen Aktivitäten führen kann. Gerade gegenüber sportlichen Aktivitäten, vor allem Kontaktsport wie Fußball, sind Kinder mit Hämophilie noch zögerlich gegenüber eingestellt, da Blutungen und Schmerzen vermieden werden sollen. Zuspruch von Gleichaltrigen und anderen wichtigen Bezugspersonen wie Eltern und Lehrer*innen sind entscheidend, um die sozialen Interaktionen zu fördern und das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken.

        Unabhängigkeit und Selbstbestimmung

        Kinder mit Hämophilie streben nach Unabhängigkeit und möchten aktiv in ihre eigene Behandlung einbezogen werden, was sich bspw. bei der Auswahl des Materials und die Handhabung der Behandlung äußern könnte. Sie üben frühzeitig an Puppen, Trainingsmanschetten und Ähnlichem, um die Ausführung einer Injektion zu erlernen und ihre Selbstständigkeit zu erhalten. Zudem neigen sie dazu, Hinweise auf ihre Erkrankung zu verstecken, um ein Gefühl von Normalität zu wahren. Durch mehr Unabhängigkeit und Selbstbestimmung können Kinder daher besser mit ihrer Erkrankung umgehen, was ihre physische und mentale Gesundheit verbessert. Dies fördert ein positives Selbstbild und stärkt ihr Selbstvertrauen im Umgang mit der Hämophilie.

        Zukunftsorientierte Gesundheitsstrategie

        Die Erfahrungen von Kindern mit Hämophilie prägen sie häufig bis ins Erwachsenenalter. Gerade negative Erfahrungen hinterlassen ihre Spuren und beeinflussen vor allem deren Entscheidungsfähigkeit: Aufgrund des hohen Bedürfnisses an Sicherheit gibt es oftmals einen Konflikt zwischen dem, was faktisch möglich ist, und dem, was die Kinder tatsächlich emotional wollen. So möchte ein Kind sich gerne austoben und viel auch mit Gleichaltrigen tun, aber faktisch besitzt es körperliche Limitationen, die es schwierig machen mitzuhalten. Weiterhin werden potenzielle Risiken über die Jahre hinweg stärker wahrgenommen. Hier ein kleines Beispiel: Autofahren ist etwas Alltägliches für nahezu jede Person. Man denkt sich nicht mehr viel dabei, obwohl theoretisch die Gefahr besteht einen Unfall zu bauen. Es ist aber so normal, dass gesunde Personen diesem potentiellen Risiko keinen weiteren Gedanken mehr geben. Eine Person mit Hämophilie hätte dieses potentielle Risiko aber stets vor Augen, weshalb manche Hämophilie-Patient*innen Maßnahmen ergreifen, um die Autofahrt zu sichern.

        Auch im Sinne der Familienplanung machen sich Hämophilie-Patient*innen Gedanken. Es besteht eine Unsicherheit, ob die Betroffenen überhaupt eigene Kinder haben wollen, da man Angst hat, dass die eigenen Kinder mit denselben Problemen und Schwierigkeiten konfrontiert werden. Es ist daher wichtig, diese Zukunftsängste ernst zu nehmen und eine Gesundheitsstrategie zu entwickeln, die auch präventive Maßnahmen umfasst.

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