Zahngesundheit

Der Zahnarztbesuch mit Hämophilie

Sicherlich wissen Sie aus eigener Erfahrung, wie wichtig eine gute Zahnpflege bei Hämophilie ist, z. B. zur Vorbeugung von Karies, Zahnfleischerkrankungen und Infektionen. Zahnmedizinische Erkrankungen können zu Blutungen führen, die unter Umständen über Tage anhalten und sich möglicherweise nur schwer kontrollieren lassen.

Allerdings vernachlässigen manche Menschen mit Hämophilie gelegentlich die Mundpflege – aus Angst vor Blutungen. Leider ist die schlechte Zahnhygiene dann oft mit der Entstehung von ansonsten vermeidbaren Komplikationen verbunden. Eine gute Zahngesundheit kann Ihnen von vorneherein helfen, Zähne und Zahnfleisch gesund zu halten und sich vor Zahnausfall zu schützen.

 

    Wenn eine Behandlung beim Zahnarzt ansteht

    Falls Sie mit einem Faktorpräparat therapiert werden, erfordert jede chirurgische oder umfangreiche Zahnbehandlung die unmittelbar vorhergehende und meist auch nachfolgende Injektion von Gerinnungsfaktoren, um das Risiko von Blutungen nach dem Eingriff zu senken.

    In höherem Alter stellt die Zahngesundheit eine besondere Herausforderung dar. Sie erfordert möglicherweise größeren Aufwand, wie regelmäßige Zahnreinigungen, Prothetik (Brücken, Kronen, Zahnimplantate) sowie Oralchirurgie, d. h. Extraktionen oder chirurgische Eingriffe am Zahnfleisch.

    Die Anwendung von Antifibrinolytika und lokal hämostatisch wirkenden Substanzen wie Fibrinkleber (ein chirurgischer Klebstoff) kann je nach Art des Eingriffs und Schwere der Gerinnungsstörung für sich alleine oder als unterstützende Therapie Wirkung zeigen. Häufig werden lokale chirurgische Strategien, beispielsweise das Nähen von Wunden, angewendet, um eine adäquate Blutstillung zu erreichen. Das Hämophilie-Team wird Ihnen hinsichtlich der Intensität und Dauer beratend zur Seite stehen.

    Maßnahmen bei Zahnschmerzen und örtlicher Betäubung

    Fall Sie unter Zahnschmerzen leiden sollten, lassen sich diese normalerweise mit leichten Analgetika, wie Paracetamol, oder stärkeren Schmerzmitteln, wie Metamizol, bekämpfen. Andere für das Schmerzmanagement geeignete Medikamente, wie nicht-steroidale Entzündungshemmer (NSAID), können infrage kommen. Sprechen Sie jedoch ihre Anwendung vorab mit Ihrem Arzt im Hämophilie-Zentrum ab, da diese Arzneimittelklasse mit einem höheren Blutungsrisiko verbunden ist.

    Für die Lokalanästhesie während des Eingriffs stehen den Ärzten verschiedene Optionen zur Verfügung. Bitte besprechen Sie jeden Eingriff vorher mit Ihrem Hämophilie-Arzt.

    Mögliche Probleme bei Eingriffen

    Invasive Verfahren, wie chirurgische Eingriffe sollten bei Hämophilen wegen des erhöhten Blutungsrisikos stets gründlich geplant werden. Wird beispielsweise keine sorgfältige hämostatische (blutstillende) Therapie durchgeführt, ist die Parodontalchirurgie bei hämophilen Patienten mit einem hohen Risiko für erhebliche Blutverluste behaftet und sollte nur in Betracht kommen, wenn die konservative Behandlung mit medikamentösen oder physikalischen Mitteln nicht ausreicht.

    Unkontrollierte Blutungen im Mundbereich können einen schweren Verlauf nehmen. Neben Blutungskomplikationen können Zahnprobleme gelegentlich zu Mundinfektionen durch Bakterien führen, die über das geschädigte Gewebe in den Körper eindringen. Zur Behandlung oraler Infektionen kommen häufig Antibiotika zum Einsatz. Lokale Therapien stehen in Form von Mundspülungen zur Verfügung und werden normalerweise angewendet, um den Mund und die Zahnfleischtaschen zur Behandlung parodontaler Beschwerden zu spülen.

    Nicht zuletzt leiden viele ältere Personen mit Hämophilie unter chronischen Infektionen mit dem Hepatitis C-Virus (HCV) oder dem humanen Immundefizienzvirus (HIV). Beide Infektionen können zahnmedizinische Komplikationen fördern, wie Pilzinfektionen (Candida) in der Mundhöhle. Vermehrte Blutungen, Probleme im Zusammenhang mit Leberkrankheiten und mit Thrombozytopenie (verminderte Zahl von Blutplättchen) erschweren allesamt die Behandlungen von Patienten mit HCV.

    Es ist besonders wichtig, dass Sie bei Zahnproblemen eng mit dem Hämophilie-Behandlungsteam im Zentrum und dem Zahnarzt zusammenarbeiten. So kann ein Zahnproblem vor, während und nach einem Eingriff optimal behandelt werden.

    Der Umgang mit Mundblutungen

    Leider treten trotz bester Pflege manchmal Komplikationen auf, die einen chirurgischen Eingriff im Mund erforderlich machen. Bei Menschen mit Hämophilie können infolge der Oralchirurgie starke Blutungen und Mundinfektionen auftreten. Darüber hinaus sind viele, auch minimalinvasive zahnärztliche Routineverfahren, mit zusätzlichen Blutungskomplikationen verbunden.

    Zur Vermeidung dieser Blutungen stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Kontaktieren Sie vor zahnärztlichen Eingriffen immer zuerst Ihren Arzt im Hämophilie-Zentrum.

    Nach invasiven Verfahren kann zusätzliches Faktor-Konzentrat verabreicht werden, wenn nachträgliche Blutungen auftreten. Die Blutungsstelle sollte sorgfältig auf offensichtliche Zeichen für Risse oder Verletzungen hin untersucht werden, um diese lokal zu behandeln. Die Behandlung von Blutungen im Mund infolge oralchirurgischer oder anderer zahnärztlicher Eingriffe ist im Voraus planbar. Doch können Unfälle, die die Mundhöhle betreffen, auch zu Blutungen führen, bei denen eine Vorausplanung nicht möglich ist.

    Bei Zahnverletzungen durch Unfälle (Zahntraumata) sollten die Schädigungen des Zahnfleisches und der Zähne durch lokale Maßnahmen, wie vorübergehendes Schienen gebrochener oder lockerer Zähne, behandelt werden. Meist ist eine umgehende Substitution des Gerinnungsfaktors erforderlich. Blutungen im Mund können zu Infektionen des Zahnfleischs führen, die oft eine antibiotische Behandlung erforderlich machen.