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ASH 2023
Vom 09.-12. Dezember 2023 fand in San Diego (USA) das 65. ASH Annual Meeting and Exposition statt.
Herr Dr. Kai Severin (Köln) war in Kalifornien vor Ort und wirft für uns einen Blick auf die relevanten Beiträge zur Hämophilie A.

"Insgesamt war dieses Jahr die Hämophilie eher gering repräsentiert. Es hat mich überrascht, dass die Themen: neue Antikörper, Gentherapie und auch Produkte mit deutlich verlängerter HWZ fast nicht/oder sogar auch gar nicht adressiert wurden. Im Vergleich zur GTH war daher aus meiner Sicht auf dem diesjährigen ASH der Informationsgewinn sehr eingeschränkt. Besonders überrascht hat mich dennoch, dass die Daten zu den neuen monoklonalen Antikörpern Concizumab und Marstacimab im Vergleich zu SHL/EHL Faktoren oder auch Emicizumab erstaunlich enttäuschend waren - mit einer Gesamt-ABR deutlich >0.
Mein persönliches Fazit ist, dass ich nicht glaube, dass sich diese beiden Antikörper längerfristig durchsetzen werden.“
Autoren: Sheena Thakkar, et al.
Zusammenfassung: Die Studie untersucht die Blutungsrate unter Berücksichtigung der Behandlungstreue bei Patienten mit Hämophilie A und B, die eine prophylaktische Faktorersatztherapie mit Standard-Halbwertszeit (SHL) oder verlängerter Halbwertszeit (EHL) erhalten. Die Daten stammen aus dem Adelphi Hemophilia Disease Specific Programme™, einer internationalen Querschnittsstudie von männlichen Patienten im Zeitraum von Februar 2020 bis Mai 2021aus sechs Ländern. Die Patienten wurden nach dem Typ der Faktorersatztherapie (SHL oder EHL) gruppiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die durchschnittlichen jährlichen Blutungsraten (ABR) für Patienten mit Hämophilie A, die SHL oder EHL erhielten, 1,2 bzw. 1,6 betrugen. Ähnliche Muster wurden bei Patienten mit Hämophilie B beobachtet. Die Ärzte berichteten, dass ein erheblicher Anteil der Patienten nicht zu 100% treu zu ihrer Prophylaxe-Therapie war. Es wird darauf hingewiesen, dass Patienten, die nicht zu 100% treu waren, tendenziell höhere ABR-Werte hatten. Die Ergebnisse betonen die Bedeutung von Therapien, die die Behandlungstreue verbessern, um die aktuelle Standardversorgung zu optimieren.
Autoren: Marilyn Manco-Johnson et al.
Zusammenfassung: Die Studie, geleitet von Marilyn Manco-Johnson und ihrem Team, untersuchte die Risikofaktoren für Gelenkblutungen bei schwerer Hämophilie A und B. Für die Analyse wurden Daten aus der Community Counts Longitudinal Surveillance Cohort, einem nationalen Überwachungsprojekt in den USA von Dezember 2013 bis zum 30. November 2022, verwendet. Insgesamt wurden 2505 Patienten mit Hämophilie A und 439 Personen mit Hämophilie B eingeschlossen. Die Ergebnisse zeigten, dass das Auftreten von Gelenkblutungen mit dem Alter zunahm. Personen im Alter von 20-44 Jahren hatten im Vergleich zu Kindern im Alter von 2-9 Jahren ein erhöhtes Risiko für Gelenkblutungen.
Die Studie identifizierte auch sozioökonomische Faktoren, die das Risiko beeinflussten. Unversicherte Personen hatten höhere Raten von Gelenkblutungen im Vergleich zu Versicherten. Die Verwendung von FVIII-Mimetika war mit einer Verringerung der Gelenkblutungen bei Personen mit Hämophilie A verbunden. Die Adhärenz spielte ebenfalls eine entscheidende Rolle, da Personen, die Dosen versäumten, schlechtere Ergebnisse hatten. Die Ergebnisse zeigten, dass eine optimierte Therapie, hohe Adhärenzraten und geografische Unterschiede wichtige Determinanten für das Risiko von Gelenkblutungen bei schwerer Hämophilie sind.
Autoren: Ana Marco Rico et al.
Zusammenfassung: Die Studie unter der Leitung von Ana Marco Rico untersuchte Gelenkschäden bei Patienten mit nicht schwerer Hämophilie (nSH). In dieser multizentrischen Querschnittsstudie, durchgeführt in 12 spanischen Krankenhäusern der Mediterranean Group, wurden 98 nSH-Patienten analysiert, darunter 10 mit moderater Hämophilie (MoH) und 88 mit milder Hämophilie (MiH).
Etwa 50% der nSH-Patienten wiesen Gelenkschäden auf, wobei das Risiko für Gelenkschäden mit dem Alter zunahm. Es wurde eine Korrelation zwischen dem Alter und dem Ausmaß der Gelenkschäden festgestellt. Überraschenderweise entwickelten einige MiH-Patienten mit normalen FVIII/FIX-Spiegeln schwere Gelenkschäden, einschließlich Zielgelenken. Zielgelenke traten bei 8,6% der MiH-Patienten auf. Obwohl es zu Studienbeginn eine Korrelation zwischen den FVIII/FIX-Spiegeln und der Thrombinbildung gab, erwies sich keiner der Parameter für die Thrombinbildung als prädiktiv für das Ausmaß der Gelenkschäden.
Die Ergebnisse betonen die Bedeutung der Bewertung von Gelenkschäden bei Patienten mit nicht schwerer Hämophilie, um neue Protokolle für Diagnose, Prävention und Behandlung zu entwickeln.
Autoren: Giancarlo Castaman, et al.
Zusammenfassung: Die explorer7- und explorer8-Phase-3-Studien evaluieren Concizumab, einen humanisierten monoklonalen Antikörper, der an Anti-Tissue Factor Pathway Inhibitor (TFPI) bindet und dessen Wirkung hemmt, als prophylaktische Behandlung für Patienten mit Hämophilie A oder B mit oder ohne Inhibitoren. Die Ergebnisse nach 56 Wochen zeigen, dass die einmal tägliche subkutane Prophylaxe mit Concizumab bei Patienten mit Hämophilie A oder B wirksam ist. Sie führte zur Auflösung von 86,3% der Zielgelenke bei Patienten ohne Inhibitoren und 91,8% bei Patienten mit Inhibitoren. Die jährliche Blutungsrate für behandelte Gelenkblutungen war gering, und die Therapie war gut verträglich.
Autoren: Jan Astermark, et al.
Zusammenfassung: Die explorer8-Studie untersucht die langfristige (≥1 Jahr) Wirksamkeit und Sicherheit der täglichen prophylaktischen Gabe von Concizumab bei Patienten mit Hämophilie A oder B ohne Inhibitoren. Die Ergebnisse nach 56 Wochen zeigen, dass Concizumab prophylaktisch wirksam ist und bei erwachsenen und jugendlichen Patienten gut verträglich ist. Die jährliche Blutungsraten waren niedrig, und es wurden keine thromboembolischen Ereignisse beobachtet. Die Therapie wurde als sicher und gut verträglich eingestuft.
Autoren: Suchitra Acharya, MD, et al.
Zusammenfassung: Diese integrierte Sicherheitsanalyse untersucht die Verträglichkeit von Marstacimab bei Patienten mit Hämophilie A oder B, unabhängig von Inhibitoren. Die Analyse umfasst Daten aus mehreren Studien, darunter eine Phase-1b/2-Studie und die Phase-3-Studie BASIS inkl. Langzeitnachbeobachtungen. Marstacimab wurde in der Phase-3-Studie über bis zu 28 Monate verabreicht. Die Ergebnisse zeigen, dass die subkutane Behandlung mit Marstacimab gut verträglich war, mit niedriger Rate und milder Ausprägung von Injektionsreaktionen, vorübergehenden Antikörperbildungen und ohne thromboembolische Ereignisse.
Autoren: Davide Matino, MD, MSc, et al.
Zusammenfassung: Die Phase-3-Basisstudie unter Leitung von Davide Matino untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von Marstacimab bei 128 männlichen Teilnehmern mit schwerer Hämophilie A bzw. moderater oder schwerer Hämophilie B ohne Inhibitoren. Die subkutane Gabe von Marstacimab reduzierte über 12 Monate die jährlichen Blutungsraten bei behandelten Blutungen im Vergleich zur bedarfsgesteuerten oder routinemäßigen prophylaktischen Therapie. Die Sicherheitsanalyse zeigte eine gute Verträglichkeit, und Antikörper gegen Marstacimab entwickelten sich bei 20,5% der Teilnehmer mit niedrigem Titer. Die Ergebnisse unterstützen Marstacimab als vielversprechende Langzeittherapieoption für Hämophiliepatienten ohne Inhibitoren.
Autoren: Robert Klamroth, et al.
Zusammenfassung: Die PROVE-Studie ist eine prospektive, multinationale Untersuchung, die darauf abzielt, Langzeitdaten zu den Auswirkungen von Simoctocog Alfa (Nuwiq®) im Vergleich zu Emicizumab auf die Gelenk- und Knochengesundheit bei Patienten mit Hämophilie A zu generieren. Die Studie wird bis zu 200 männliche Teilnehmer im Alter von mindestens 12 Jahren mit schwerer Hämophilie A einschließen. Primäres Ziel ist die Bewertung des langfristigen Einflusses auf die Gelenkgesundheit anhand einer spezifischen Skala gemessen mit Hilfe der Magnetresonanztomographie („Extended MRI scale“). Sekundäre Endpunkte umfassen Blutungsraten, Gelenk- und Knochengesundheit, physische Aktivität, Lebensqualität und Sicherheit. Die Teilnehmer werden nicht randomisiert, sondern setzen ihre aktuelle prophylaktische Behandlung (Simoctocog Alfa oder Emicizumab) fort. Jeder Patient wird bis zu vier Jahre lang beobachtet. Die PROVE-Studie wird wichtige Erkenntnisse zu den Langzeitwirkungen beider Therapien auf die Gelenk- und Knochengesundheit bei Hämophilie A liefern.
Autoren: Kumpal Madrasi, et al.
Zusammenfassung: Die Studie präsentiert einen populationsbasierten Ansatz mit pharmakokinetische/-pharmakodynamischer (PopPK/PD) Modellierung für Fitusiran, ein siRNA-Therapeutikum zur Behandlung von Hämophilie A oder B, unabhängig von Inhibitoren. Das Modell wurde zuvor unter Verwendung von Phase-1/2-Daten für 1000 virtuelle Patienten mit Hämophilie entwickelt und um Phase-3-Daten erweitert. Ziel ist es, eine auf dem Antithrombin (AT) basierende Dosierung für Fitusiran abzuleiten. Simulationsdaten deuten darauf hin, dass eine Anfangsdosis von 50 mg alle 2 Monate (Q2M) die AT-Aktivität bei über 58% der Patienten über 15% halten könnte. Die Studie schlägt eine Dosiseskalation oder -reduktion vor, um adäquate AT-Aktivitätsbereiche zu erreichen. Die Simulationen unterstützen die aktuelle Dosierung in Phase-3-Studien und zeigen, dass die Mehrheit der Patienten mit der vorgeschlagenen Dosierung die gewünschten AT-Aktivitätsniveaus ohne Dosisänderung erreichen kann.
Autoren: Flora Peyvandi, et al.
Zusammenfassung: Die Studie präsentiert pharmakokinetische Daten aus der XTEND-Kids-Studie zu Efanesoctocog Alfa, einem neuartigen FVIII-Ersatztherapeutikum zur Behandlung der schweren Hämophilie A bei Kindern unter 12 Jahren. Die Prophylaxe mit einmal wöchentlich 50 IU/kg Efanesoctocog Alfa wurde über 52 Wochen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass die durchschnittlichen FVIII-Aktivitätsniveaus am Ende des ersten wöchentlichen Dosierungsintervalls bei Kindern unter 6 Jahren 5,73 IU/dL und bei Kindern zwischen 6 und unter 12 Jahren 6,93 IU/dL betrugen. Die durchschnittlichen Halbwertszeiten und Clearance-Werte waren vergleichbar zwischen den Altersgruppen und Blutgruppen. Die FVIII-Aktivitätsniveaus blieben bei wöchentlicher Prophylaxe im normalen bis nahezu normalen Bereich (>40 IU/dL) für 3 Tage und waren für etwa 7 Tage >10 IU/dL. Die Studie zeigt, dass die einmal wöchentliche Prophylaxe mit Efanesoctocog Alfa hohe und nachhaltige FVIII-Niveaus für Kinder unter 12 Jahren bietet.
Wichtig: Einige der genannten Substanzen befinden sich noch in der klinischen Entwicklung und haben daher keine Zulassung in Deutschland oder Europa.