Schmerz(therapie) bei Hämophilie

 

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    Viele Hämophilie-Patienten leiden unter Schmerzen – weniger untersucht wurde bislang die Prävalenz von Depressionen und Angstzuständen. Katarina Steen Carlsson et al. analysierten nun Behandlungsmuster der verschriebenen Analgetika, Antidepressiva- und Anxiolytika von Hämophilie-Patienten im Rahmen der Fall-Kontroll-Studie MIND in 4 nordeuropäischen Ländern (Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden). Bei der MIND-Studie handelt es sich um eine deskriptive, retrospektive 11-jährige Registerstudie, die Daten auf individueller Ebene über ausgefüllte Rezepte für Schmerz-, Antidepressiva- und Antiangstmedikamente und einer Reihe von vordefinierten Komorbiditätsdiagnosen aus den Jahren 2007-2017 analysiert. Konkret wurden Hämophilie-Patienten anhand von nationalen Gesundheitsdatenregistern nach Diagnose oder Faktorersatz-Therapie identifiziert und mit der Kontrollbevölkerung verglichen. 

    Die Arbeitsgruppe stratifizierte drei Subgruppen nach Faktorverbrauch und Geschlecht: moderater - hoher Faktorverbrauch (FVIII-Verbrauch ≥40 IE/kg/Woche oder einem FIX-Verbrauch ≥10 IE/kg/Woche; geringer Faktorverbrauch und Frauen einschließlich Konduktorinnen mit Faktormangel und keinem oder geringem Verbrauch von Faktorkonzentraten.

    Analysiert wurden die Daten von 3.246 Patienten mit Hämophilie, was 30.184 Personenjahren entspricht. Die Hämophilie-Patienten (Kinder und Erwachsene) nahmen im Vergleich zu den Kontrollpersonen mehr Schmerzmittel, Antidepressiva und angstlösende Medikamente ein. Eine Beobachtung, die in der Gruppe mit mittlerem bis hohem Faktorkonsum am stärksten ausgeprägt war, aber auch auf Patienten mit niedrigem Faktorverbrauch und Frauen, einschließlich Konduktorinnen zutraf – eine Gruppe, die in der Regel einen milderen Phänotyp darstellt. Hinzu kommt, dass alle Altersgruppen einen höheren Opioidkonsum aufweisen: dieser war in der Gruppe mit mittlerem bis hohem Faktorkonsum 4- bis 6-fach höher und in der Gruppe mit niedrigem Faktorkonsum 2- bis 4-fach höher versus Kontrollgruppe.

    Wie die Analyse offenbart, nahmen die Hämophilie-Patienten konsistent mehr Schmerzmittel, Antidepressiva und Anxiolytika im Vergleich zur Kontrollbevölkerung ein – und zwar unabhängig von Alter, Geschlecht oder Faktorverbrauch. Ein Ergebnis, dass die Notwendigkeit sowohl eines verbesserten Blutungsschutzes als auch einer optimierten Hämophilie-Versorgung für alle Schweregrade, einschließlich leichter Hämophilie, signalisiert.

      Aktuell wird gerade die S2k-Leitlinie Schmerzen bei Hämophilie durch die GTH, unter anderem zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) entwickelt. Ziel der neuen Leitlinie ist es, die Symptomkontrolle zu verbessern. Als Hintergrund des Projekts wurde das „Versorgungsdefizit bei seltener chronischer Erkrankung mit Gelenkschädigung und häufigen chronischen Schmerzen“ beschrieben. Am 31.12.2024 soll die neue Leitlinie fertig gestellt sein. 

        Die Deutsche Hämophiliegesellschaft e.V. (DHG), die Interessengemeinschaft Hämophiler e.V. (IGH) und Bayer haben sich zusammengeschlossen und führen aktuell eine groß angelegte Befragung zum Thema „Schmerztherapie in der Hämophilie“ durch. Ausgewertet wird die Umfrage anonym. Mit der Umfrage möchten die Initiatoren herausfinden, welche Schmerztherapien von Hämophilie-Patienten eingesetzt beziehungsweise angewendet werden. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse werden dann konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Schmerztherapie erarbeitet.  

        Hintergrund der Befragung ist, dass diese Umfrage 2012 schon einmal von Bayer durchgeführt wurde – damals haben 650 Hämophilie-Patienten teilgenommen. Heute – 12 Jahre später – wäre es spannend zu sehen, ob Verbesserungen eingetreten sind und die Patienten weniger an Schmerzen leiden. 

        Alle von Hämophilie betroffenen Personen sind eingeladen, mitzumachen. Eltern können den Fragebogen für ihr Kind ausfüllen. 

        Flyer für Ihre Patienten erhalten Sie von unseren Kolleginnen und Kollegen im Bayer-Außendienst.

        Hier ist die Umfrage abrufbar

        Steen Carlsson K, Winding B, Astermark J, Baghaei F, Brodin E, Funding E, Holmström M, Österholm K, Bergenstråle S, Lethagen S. High use of pain, depression, and anxiety drugs in hemophilia: more than 3000 people with hemophilia in an 11-year Nordic registry study. Res Pract Thromb Haemost. 2023 Jan 31;7(2):100061. doi: 10.1016/j.rpth.2023.100061. PMID: 36908766; PMCID: PMC9999211.