Berufspolitik

hemoTICKER 1/2022

 

Großes Thema – viele Kontroversen: E-Health-Digitalisierung im Gesundheitswesen

 

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Veranstaltung des BDDH (als Hybrid) am 03.03.2022 im Rahmen der 66. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) in Leipzig

Der 1. Vorsitzende des Berufsverbands der Deutschen Hämostaseologen (BDDH) e.V. ist PD Dr. Jürgen Koscielny:  

„Die öffentliche Sitzung beschäftigte sich mit zahlreichen aktuellen Themen, die ALLE im medizinischen Bereich fordern und bereits einen berechtigten sachlichen und konstruktiven Widerstand erzeugt haben.“

Ein Thema, das aktuell hohe Wellen schlägt, war die Digitalisierung im Gesundheitssystem – das Redaktionsteam hat für Sie die Vortragsbeiträge der Referenten zusammengefasst

PD Dr. Christoph Sucker, MVZ COAGUMED Gerinnungszentrum, Berlin, sprach über die Digitalisierung im Gesundheitswesen, ihren aktuellen Stand und die Probleme. Sucker merkte an, dass die seit Langem geplante Digitalisierung im Gesundheitswesen äußerst schleppend verläuft, der Zeitplan nicht eingehalten wird und der aktuelle Stand weit hinter den politischen Vorgaben herhinkt. Grundsätzlich soll eine Anbindung von Gesundheitseinrichtungen, insbesondere Arztpraxen und Kliniken, an die Telematik-Infrastruktur (TI) erfolgen, um dann relevante Patientendaten zu verwalten und effizienter zu nutzen. Wichtige Kernaspekte dieser Kommunikation im Gesundheitswesen (KIM-Dienst) sind die elektronische Patientenakte (ePA), der elektronische Arztbrief (eArztbrief), die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU), das elektronische Rezept (eRezept) sowie das Notfalldaten-Management.

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PD Dr. Jürgen Koscielny

Aktuelle Zahlen über die Nutzung der KIM-Dienst-Anwendungen werden auf der Gematik-Homepage dargestellt und ständig aktualisiert (https://www.gematik.de/telematikinfrastruktur/ti-dashboard); ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass die Anwendungen bisher nahezu ungenutzt sind, so wurden bis zum 28.02.2022 gerade einmal 2.738 eRezepte ausgestellt. Um die Dienste nutzen zu können, sind nicht nur zahlreiche komplexe und teils teure Voraussetzungen durch die Gesundheitseinrichtung zu erfüllen. Hinzu kommt, dass auf die Verwendung der KIM-Dienst-Anwendungen eine Zugangsmöglichkeit für Patienten erforderlich ist, wozu der Patient über eine elektronische Gesundheitskarte (eGK) Version 2.1 verfügen muss; dies ist bislang nur bei einem kleinen Anteil kassenärztlich Versicherter der Fall. Wie mit Privatpatienten, Selbstzahlern und im Ausland versicherten Patienten, die nicht über eine entsprechende Karte verfügen, umzugehen ist, ist bislang nicht ausreichend geklärt. Mit Erstaunen muss man zur Kenntnis nehmen, dass die neuen eGK der Version 2.1. elektrostatisch aufgeladen werden können, was von der Unlesbarkeit der Kartendaten bis hin zum Absturz kompletter EDV-Systeme in Gesundheitseinrichtungen führen kann. Die Akzeptanz für die Digitalisierung im Gesundheitswesen in der aktuellen Form ist, insbesondere bei Ärzten und Gesundheitseinrichtungen, gering. Ein Grund dafür ist, dass Ärzte und Gesundheitseinrichtungen nicht genug nach ihren Wünschen und der Umsetzbarkeit der beschlossenen Maßnahmen gefragt wurden. Außerdem sind laut Sucker viele Fragen offen – Datenschutz von hochsensiblen Gesundheitsdaten von Patienten, technische Umsetzung bei schier unlösbaren EDV-Problemen, Implementierung der Anwendungen der digitalen Infrastruktur (KIM-Dienst-Anwendungen) in der Praxis.

Dr. Jürgen Günther Kappert, Gerinnungszentrum Rhein Ruhr (GZRR), Duisburg, forderte in seinem Vortrag „Medizinische Informationsobjekte (MIO) – Inhalte für die elektronische Patientenakte (ePA)“, dass die ePA mit strukturierter medizinischer Information gefüllt werden müsse. Für diesen Zweck werden MIOs entwickelt, die diese enthalten. Dem BDDH e. V. ist, wie anderen Berufsverbänden auch, die Mitarbeit am Projekt „MIO42“ der kassenärztlichen Bundesvereinigung KBV angeboten wurden. „Wir haben uns, so Kappert, in der 2. Arbeitsgruppe engagiert, damit alle modernen Gerinnungsteste auch schon in der ersten Version der MIOs vorhanden sind. Unsere Vorschläge wurde allesamt von der KBV angenommen und um die deutschen Begriffe ergänzt. In der Datensammlung sind jetzt 11.768 Einträge vorhanden. Seit letztem Jahr dauert die Überarbeitung an und eine Rückmeldung an uns wurde für Q2/2022 in Aussicht gestellt.“ 

Dr. Georg Goldmann, Institut für experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin, Universitätsklinikum Bonn, referierte über das Thema „DHR-Register – Die praktische Umsetzung der Meldepflichten laut §17 Abs 6a ApBetrO in einem Hämophiliezentrum der Kategorie CCC“. Goldmann merkte an, dass die praktische Umsetzung der Meldepflichten nach §17 Abs 6a ApBetrO, bzw. § 14 Transfusionsgesetz für das betreuende Hämophiliezentrum mit einem deutlich höheren logistischen Aufwand verbunden ist als vor Inkrafttreten des GSAVs. Ursächlich hierfür ist insbesondere, dass die rückmeldenden Apotheken nicht unbedingt unverzüglich nach Abgabe der Gerinnungsfaktoren melden müssen und frei entscheiden können, wie sie die Meldung – deren Inhalte vom Gesetzgeber vorgegeben sind – formatieren (elektronisch oder schriftlich) und senden (handschriftlich, Kopie des Rezeptes etc.). Als Lösungsansatz sieht Goldmann eine Vereinheitlichung des Meldevorganges seitens der Apotheken über die mittlerweile zur Verfügung stehenden elektronischen Dokumentationstagebücher der Patienten, so dass hierdurch der Hämophiliebehandler nicht nur eine direkte Meldung der Medikamentenabgabe erhält, sondern diese dann auch in nur ein Dokumentationssystem erfolgt.

Die Zusammenfassung des Vortrages von Dr. Susann Halimeh, Gerinnungszentrum Rhein Ruhr (GZRR), Duisburg wird in den nächsten BDDH-News publiziert.
Hier finden Sie ihre Präsentation.

 

 

Christoph Sucker1,2, Jürgen Koscielny3, Günther Kappert4

1Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) COAGUMED Gerinnungszentrum Berlin und 2Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Brandenburg an der Havel, 3Charité Universitätsmedizin, Berlin, 4Gerinnungszentrum Rhein-Ruhr (GZRR), Duisburg 

Mitteilungen des Vorstandes des Berufsverbandes der Deutschen Hämostaseologen e.V. (BDDH):

Für den Vorstand der Deutschen Hämostaseologen

Priv.-Doz. Dr. med. Jürgen Koscielny, Vorsitzender
Dr. med. Günther Kappert, Stellvertretender Vorsitzender
Priv.-Doz. Dr. med. Christoph Sucker, 1. Beisitzer des Vorstandes

 


Neue EU-Verordnung für In-Vitro-Diagnostika (IVDR) und deren Konsequenzen für den Alltag im Gerinnungslabor ab Mai 2022

Mitteilungen des Vorstandes des Berufsverbandes der Deutschen Hämostaseologen e.V. (BDDH)

Die neue EU-Verordnung für In-Vitro-Diagnostika (IVDR) gilt zwar schon seit Mai 2017, am 26. Mai 2022 dieses Jahres aber endet die 5-jährige Übergangszeit.

Wichtige Veränderungen umfassen den Geltungsbereich der Verordnung gegenüber der bisherigen Richtlinie; man geht davon aus, dass künftig etwa 90 % der In-Vitro-Diagnostika

(IVD) einer entsprechenden Überprüfung bedürfen, während dies unter den bisherigen Bestimmungen für nur etwa 15 % der Produkte der Fall war. Zudem sind auch „In-House-

Verfahren“ von der neuen Verordnung betroffen, was „das Aus“ für entsprechende Verfahren bedeuten kann. Hersteller von Medizinprodukten müssen künftig mindestens eine qualifizierte Person benennen, die für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften der Richtlinie verantwortlich ist. Weitere Novelle ist die Vergabe einer einmaligen Produktnummer für IVD („unique device identification“ [UDI]), was die Rückverfolgbarkeit verbessern und Rückrufe erleichtern soll; der Aufwand hierfür dürfte für die Hersteller ebenfalls erheblich sein. Des Weiteren beinhalten die Änderungen für den Hersteller strengere Vorgaben hinsichtlich technischer Dokumentation und Bewertung der Leistung der Produkte durch klinische Studien.

Hier finden Sie die vollständigen Mitteilungen des BDDH.